Steuerhinterziehung?
|
18.02.2011, 10:10
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 18.02.2011 10:11 von Clematis.)
Beitrag: #1
|
|||
|
|||
Steuerhinterziehung?
Ich hab mal wieder ein AO-Problem...wie ich es liebe...naja, hilft ja nicht.
Also, vor Weihnachten kam eine Rentnerin zu mir mit Steuerbescheiden 1999-2009. Alle aktuell ge�ndert. Sie erz�hlte mir, dass sie seit Jahren eine eigene Rente bekommt, eine Betriebsrente auf LSt-Karte ihres Mannes hat und zus�tzlich grosse Witwenrente bekommt. Sie h�tte, als ihr Mann gestorben ist, beim FA angerufen und gefragt, ob sie die Rente versteuern muss. Antwort war nein. Dann hat sie 2005 nochmal angerufen, selbiges gefragt, gleiche Antwort bekommen. Also hat sie in Ihrer StE immer nur ihre Rente und die LSt-Karte angegeben. 2009 kam dann nat�rlich die Rentenbezugsmitteilung=>das FA hat nach der Rente gefragt. Meine Steuerpfllichtige hat brav die Rentenbescheide ans FA geschickt. Wurde als Selbstanzeige gewertet, und r�ckwirkend bis 1999 ausgewertet. Steuernachzahlung geht so, aber die Zinsen sind enorm. Klar. So, 2005 - 2009 ist klar, muss sie zahlen, hat sie auch schon. 1999 - 2004 sage ich dass die Festsetzungsfrist abgelaufen ist, und da kein Vorsatz vorgelegen hat, liegt auch keine Steuerhinterziehung vor, mit dem Ergebniss, dass eben 1999 - 2004 nicht mehr zu �ndern ist. Das FA will nat�rlich nicht so wie ich das will-die Steuerpflichtige h�tte das wissen m�ssen dass die Rente steuerpflichtig ist, weil das Thema in den Medien pr�sent w�re usw, sie h�tte zumindest billigend in Kauf genommen dass... usw. Wie ist denn nun hier die Definition des subjektiven Tatbestandes? Ich weiss-Vorsatz muss vorliegen. Aber wie definiert sich der? Wie weit geht Vorsatz? ME ja doch nur wenn ich absichtlich Tatsachen verschweige-liegt hier nicht vor. "Billigend in Kauf nehmen" geh�rt f�r mich zur (groben) Fahrl�ssigkeit-aber die reicht doch f�r die Verwirklichung der Steuerhinterziehung nicht, oder? Wenn man mit ihr spricht, glaubt man ihr, dass sie das wirklich nicht gewusst hat. Ich denke mal, sie hat damals bei ihren Anrufen beim FA einfach nur die H�he der Witwenrente genannt-und nicht dazu gesagt, dass sie noch weitere Eink�nfte hat. Der am Telefon hat nicht danach gefragt, und nur anhand der H�he der Witwenrente erkannt, dass alleine darauf keine ESt anfallen w�rde. Also einfach aneinander vorbei geredet. Was mach ich denn jetzt mit der? Wer ist denn eigentlich daf�r zust�ndig zu entscheiden, ob Steuerhinterziehung vorliegt oder nicht? Die Strafsachenstelle oder die Veranlagung (hier zwei unterschiediche FAs!)? ----------------- LG Clematis |
|||
18.02.2011, 13:31
Beitrag: #2
|
|||
|
|||
RE: Steuerhinterziehung?
Hatte ich auch mal, so einen �hnlichen Fall. Liegt derzeit beim FG in Cottbus.
Rentnerin, blind von Geburt an, hat keine Steuererkl�rungen abgegeben. Also noch nie. Es stellte sich heraus, dass Kapitaleink�nfte vorhanden waren, bei denen �berall die KapSt/SolZ einbehalten wurde. Wir legten dem FA also Steuererkl�rungen ab 1993 vor. Das FA veranlagte auch brav ab 1993, wohl weil es eine Hinterziehung unterstellte. Es kam eine Erstattung im 5stelligen Bereich heraus. (Heute w�rde das nicht mehr funltionieren, da der � 370 inzwischen ge�ndert wurde). Dann kam der Verm�gensteuerbescheid 1993 bis 1996, gest�tzt auf gesch�tztes Verm�gen. Wir argumentierten, dass hinsichtlich der Verm�gensteuer keine Hinterziehung vorliegt, allenfalls eine leichtfertige Verk�rzung, und da reicht die Festsetzungsfrist nicht bis 1996 zur�ck. Die Argumentation st�tzte sich vor allem auf das "Wissen" um die Steuerpflicht und nur am Rande auf das "Wollen". Blinde Rentner sind im Allgemeinen nicht so reich mit Kapital gesegnet und haben in ihren Kreisen eher soziale Themen, die sie besprechen. Die Verm�gensteuer ist daher gar nicht im Bewusstsein der Rentnerin aufgetaucht. Auch war sie darauf angewiesen, ihre Geldgesch�fte (also auch die Anlagen) durch einen betreuer erledigen zu lassen und war sich �ber die H�he ihres Verm�gens nicht bewusst. So. "Wer ist denn eigentlich daf�r zust�ndig zu entscheiden, ob Steuerhinterziehung vorliegt" Nicht das Finanzamt. Hinterzieht unterliegt dem Strafrecht. � |
|||
18.02.2011, 13:39
Beitrag: #3
|
|||
|
|||
RE: Steuerhinterziehung?
Clematis schrieb:Wie ist denn nun hier die Definition des subjektiven Tatbestandes? Ich weiss-Vorsatz muss vorliegen. Aber wie definiert sich der? Wie weit geht Vorsatz? ME ja doch nur wenn ich absichtlich Tatsachen verschweige-liegt hier nicht vor. "Billigend in Kauf nehmen" geh�rt f�r mich zur (groben) Fahrl�ssigkeit-aber die reicht doch f�r die Verwirklichung der Steuerhinterziehung nicht, oder? Mist ist: billigend in Kauf Nehmen = bedingeter Vorsatz = dolus eventualis. Du musst raus aus dem Vorsatz und rein in die Fahrl�ssigkeit. ___________________________________________ Signatur? ... verliehen... |
|||
18.02.2011, 13:46
Beitrag: #4
|
|||
|
|||
RE: Steuerhinterziehung?
Hatte gerade einen �hnlichen Fall.
AN-in hatte parallel zu ihrem relativ geringem Arbeitslohn (17.000,- brutto p.a.) seit 1999 Witwenrente bezogen. Nun kam durch die Mitteilung der Rentenstelle heraus, da� sie nie die Rente (ca. 200,- netto mtl.) in der Erkl�rung angegeben hatte. Das FA schrieb sie an, unterstellte aber nur leichtfertige Steuerverk�rzung und bat um Stellungnahme zu den gemeldeten Daten. Die Zahlen stimmten und das FA �nderte daraufhin die Bescheide, aber nur ab 2005 wo ja die Rentenbesteuerung ge�ndert wurde. Klar die Zinsen waren auch �ppig, aber trotzdem m.E. faires Verhalten. 2004 und fr�her war noch nichtmal die Festsetzungsfrist abgelaufen, h�tte aber auch relativ wenig ausgemacht, durch den damals niedrigen Ertragsanteil. Aber ich denke das liegt im Ermessen des Bearbeiters. Eigentlich sollten Rentner, die die Rentenangabe "vergessen" haben, nicht als Steuerhinterzieher angesehen werden. Gab es dazu damals nicht ein BMF mit einem Verhaltenskodex, da� die Rentner zwar die Steuern nachzahlen m�ssen, aber nicht extra bestraft werden sollten? |
|||
18.02.2011, 15:40
Beitrag: #5
|
|||
|
|||
RE: Steuerhinterziehung?
F�r Zwecke der Festsetzungsfristen/Hinterziehungszinsen entscheidet FA/FG �ber das Vorliegen von Vorsatz!
|
|||
18.02.2011, 15:45
Beitrag: #6
|
|||
|
|||
RE: Steuerhinterziehung?
Hier w�rde ich "billigend in Kauf nehmen" verneinen, wenn man telefonischen Rat eingeholt hat. Ich w�rde versuchen die Daten der Anrufe zu rekonstruieren und um diesbez�gliche Aufkl�rung (Telefonnotiz) bitten. Da FA Beweislast hat, sollte man versuchen (erst sp�ter) dem FA den Strick aus mangelhafter Aktenf�hrung zu drehen, wenn Telefonnotizen nicht abgelegt wurden. Hilfsweise k�nnte man noch Anrufe an Eides statt versichern. Wenn Oma tats�chlich ein unbeschriebenes Blatt ist ...
|
|||
18.02.2011, 19:56
Beitrag: #7
|
|||
|
|||
RE: Steuerhinterziehung?
@showbee
Das sehe ich etwas anders. Clematis schrieb: Zitat:Sie h�tte, als ihr Mann gestorben ist, beim FA angerufen und gefragt, ob sie die Rente versteuern muss. Antwort war nein. Dann hat sie 2005 nochmal angerufen, selbiges gefragt, gleiche Antwort bekommen. Beim Finanzamt anrufen und mal eben was nachfragen, naja, wer weiss schon, wen die Dame gefragt hat? Der Anruf nach Tod des Ehemannes m�sste nunmehr mindestens 11 J�hrchen her sein. �ltere Damen bringen oft mal was durcheinander. Und wie gesagt, wenn sie nur nach der Steuerpflicht ihrer Witwenrente gefragt hat, die anderen Sachen am Telefon aber verschwiegen hat, tja dann. Das FA kann genauso gut sagen, keine Vermerk in den Akten - kein Anruf beim zust�ndigen Bearbeiter erfolgt. Die �ltere Dame wird wohl kaum noch den Namen und die damals angew�hlte Durchwahlnummer, Datum und Zeit angeben k�nnen. Ich habe schon zwei F�lle beim FG durchgeboxt, wo die Ef Stein auf Bein behauptet haben, sie h�tten entsprechende Ausk�nfte beim FA telefonisch erhalten. Als das Gericht die Details wissen wollte (Name des Bearbeiters, Datum und Uhrzeit des Anrufes) kam in der Regel nur ein Schulterzucken. Das FG hat daher dem Akteninhalt geglaubt - kein Telefonvermerk da, und die eine Klage wurde zur�ckgenommen, die andere wurde abgewiesen. Hinsichtlich der "Entschuldbarkeit" wegen Alters - auch da hatte ich bereits Erfahrungen bei Gericht. �ltere Dame (weit �ber 80) hat mal eben "vergessen" ihre recht �ppigen Kapitalertr�ge zu erkl�ren. H�bsche Zinsen durch Tafelpapiergesch�fte. Als Entschuldigung wurde vorgetragen, dass das FA ja ein NV-Bescheinigung ausgestellt habe und die arme alte Frau davon ausging, sie m�sse keine Steuererkl�rungen abgeben, zumal ja Steuerabzugsbetr�ge einbehalten wurden. Begr�ndung der Richter: Aufgrund der Informationen aus der Presse in den 90er Jahren h�tte es der alten Dame nicht entgehen k�nnen, dass ihre Zinsen steuerpflichtig sind und sie verpflichtet war, Steuererkl�rungen abzugeben. Im �brigen h�tte sie sich ja eines Steuerberaters bedienen k�nnen, wenn sie allein �berfordert gewesen ist. ESt und VSt waren seinerzeit im Streit. Nachdem die Richter ihre Auffassung schriftlich dargelegt haben (in mehreren AdV-Beschl�ssen) wurden s�mtliche Klagen zur�ckgenommen. Zitat:Da FA Beweislast hat, sollte man versuchen Grau ist alle Theorie... Wenn man sich Clematis Fall ganz objektiv anschaut, wird man merken, dass hier schlicht und ergreifend die Witwenrente nicht erkl�rt wurde. Das FA wird sicher nicht in der Beweislast sein, ein nicht gef�hrtes Telefonat zu beweisen. Dies obliegt schon der Dame selbst. Dass Renten steuerpflichtig sind, schien ihr ja bekannt zu sein, sonst h�tte sie ihre eigene ja nicht erkl�rt. Also wird sie wohl nicht behaupten k�nnen, sie h�tte nix von der Steuerpflicht der Renten im Allgmeinen gewusst. Und mal ganz ehrlich, wenn man sich die Formulare seit 1999 anschaut, dann steht die Zeile Witwenrente dick und fett im Vordruck. Anruf hin oder her, wer hier dennoch keine Eintragungen macht obwohl er die Anlage sowieso schon ausf�llen muss (wegen der eigenen Rente) der muss schon sehr blind sein oder die Folgen billigend in Kauf nehmen. Wenn das Leben Dir Zitronen anbietet, frag nach Tequila und Salz und ruf' mich an! |
|||
19.02.2011, 12:12
Beitrag: #8
|
|||
|
|||
RE: Steuerhinterziehung?
Kann man dem Finanzamt nicht vorwerfen es hat nicht genug ermittelt? Immerhin m�ssten die beiden Ehegatten ja zuvor bereits veranlagt worden sein und das FA h�tte ja mal fragen k�nnen, ob nicht eine Witwenrente vorliegt. Insoweit erfolgte ja auch damals die Nachfrage bem FA - oder?
Ciao Dragon |
|||
19.02.2011, 18:02
Beitrag: #9
|
|||
|
|||
RE: Steuerhinterziehung?
mE eindeutig eine 50:50 Entscheidung, ich geb dir @Kiharu durchaus Recht und es gibt ja auch hier keinen Zweifelssatz, aber hilfsweise w�rde ich hier einen Billigkeitsantrag auf die Zinsen machen (Beschr�nkung auf Verzinsung zum Tagesgeld-3Monatskonto).
|
|||
|
Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: